Ratten.
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
Überall Ratten.
Soweit man es nur überblicken kann. Sie sind unter uns
und nisten sich in unserem Leben ein. Es sind die, die uns im Leben begleiten,
die unseren Alltag, den Tisch, das Bett teilen. Unsere Freunde, Bekannte und
Lovers. Als sehr intelligente Wesen gelten sie. Tiere, die fähig sind
feinfühlig gut zu analysieren und in Sekunden schnell Schlussfolgerungen ziehen
zu können. Sie sind auch die ersten die uns verlassen, programmiert auf die
Sicherung des eigenen Bestehens. Die Ratten!
Ein Schiff geht unter und eine Katastrophe steht kurz
bevor.
Nichts mehr und Niemand wird dieses Schiff noch retten
können. Es sind die Ratten die diese Gefahr als erste erspüren bevor die
Töne der Alarmglocken auf dem Schiff erklingen, bevor das Feuer das Boot so
gnadenlos vernichtet. Es sind die Ratten die das Schiff als erste
verlassen und ein neues, sicheres Haffen aufsuchen. Es sind die Ratten.
Auch unter uns Menschen. Hungrige Möwen kreisen um das Schiff herum wartend
auf den Augenblick die Überreste zu erhaschen.
Noch steht der Kapitän tapfer und sich nichts anzumerkend
überblickt er die ganze Situation. Bis zum bitteren Ende wird er bleiben. Bis
zum Ende wird er sein Schiff nicht mehr verlassen. Der Führer und der
Seelsorger, in guten wie in schlechten Zeiten für immer mit dem Schiff
verbunden. Ein Symbol der Beständigkeit und Zuverlässigkeit, Stabilität
und emotionalen Stärke. Wie eine Festung in Brandung. Er bleibt dort,
selbst wenn das Schiff auch untergeht. Er bleibt und wird die innere Ruhe
bewahren. Er steht zu seinen Fehlentscheidungen und zahlt den Preis
dafür. Er weiß was ihn erwartet, er weiß, dass er heute sterben wird.
Genauso wie viele der Menschen, die ihn heute auf der Reise begleiten. Auch sie
werden sein Schicksal teilen. Ein Kapitän. Ein Anführer. Eine
Persönlichkeit. Stärker als ein Sturm dass ein Schiff zum Stürzen bringen
kann. Stärker als das Feuer das es mitten auf dem kalten Baltikum See
viele Lebens gnadenlos vernichten kann. Härter als ein Eisblock das ein
Schiff zerschmettert. Er ist der Kapitän, keine Ratte eben.
Und auch wenn er leidet in seinem Innerem, auch wenn
er den denselben Schmerz fühlt und Abschied nehmen muss von Anderen
und von seinen eigenem Leben. Auch er rechnet damit nicht dass bei einer
der ganz üblichen Überfahrten einer winterlichen Dezember Nacht
das Feuer auf dem Schiff ausbricht und Menschen in dem Feuer und den
Explosionen sterben werden. Auf den Untergang und auf den Tod ist nie
jemand wirklich gut vorbereitet. Noch ahnt er nichts als das Schiff wie
jeden Tag üblich den Hafen verlässt und Richtung Rostock, einer deutschen Hafen
Stadt losfährt. Noch ahnt Niemand auf dem Schiff was dieser Nacht
passieren wird. Noch ahnt nicht mal sie, dass sie diese Nacht neue
Qualitäten in ihr entdeckt und diese auf dem Schiff auf so harte Probe stellt. Dem Tod in
die Augen sehen wird, wie es später in ihrem Leben noch einige Male geschehen
wird. Noch ahnt sie nicht wie es ist die Verantwortung für die Anderen zu
übernehmen, fremde Kinder tröstend auf den letzten Weg zu begleiten, wohl
wissend dass sie alle wohlmöglich bald zusammen sterben werden. Menschen die
die Fähre mit mir zusammen gerade beträten, Menschen, die erwachsen und
beherrscht zu sein scheinen. Noch ahnt sie in diesen Minuten nicht,
wie sehr diese Erlebnisse ihr ganzes Leben verändern und sie stark für spätere
Lebenskatastrophen machen werden. Wie es ist den Abschied zu nehmen und
sich mit dem was geschehen soll einfach abzufinden. Noch ahnt sie nicht, dass
es dieser Nacht Tote geben wird. Menschen die mit ihr diese Reise beginnen und
auf dieser Reise ihr Leben lassen werden.
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Gedser,
Dänemark, Dezember 1993
Es war bereits ganz dunkel als im Gedser, einer winzig
kleinen Hafen Stadt in Dänemark die Fähre andockte und sie in das Schiffs
Innere hereinfuhren. Kalt war es draußen und ungemütlich. Die Fähre fühlte sich
zunehmend mit den Passageren auf die nach einen Fensterplatz suchten um die
Wellen des Baltikum See durch die stark verdreckte Fensterscheiben zu
beobachten. Dunkel war es Draußen. Viel zu dunkel um etwas zu sehen. Nur die
grelle Beleuchtung des Schiffs Restaurants spiegelte sich in den
Fensterscheiben wieder. Ein paar Menschen liefen
noch umher auf der Suche nach dem Sitzplatz für die Überfahrt.
Sie kannte die Strecke schon als zu gut. Die ständigen
all ein Paar monatigen Fahrten hin und hier zwischen Deutschland und Dänemark
der 90-ger Jahre gehörten zu ihrem Alltag dazu. Müde fühlte sie sich, müde und
ausgepowert. Schlafen wollte sie nur, zu Hause endlich sein. Wo auch immer ihr
zu Hause sein mochte. Ein warmes Bett unter ihrem Körper spüren.
Alle Menschen schienen diese Nacht ähnlich müde zu sein.
Einige schliefen sofort ein, kurz nach dem die Fähre ihren Fahrt begann. Ihre
Augenlider fühlten sich sehr schwer an und sie merkte wie die Müdigkeit sie
immer mehr und mehr überkam. In Gedanken verloren schaute sie aus dem
Fenster des Schiffes hinaus. Kalte Dezember Nacht und totale Dunkelheit da
Draußen. Die Fensterscheiben wurden zum Spiegel in dem sie sich selbst und die
eigene Augen nur betrachten konnte. Müde sahen sie aus. Müde waren auch ihre
Gedanken. Hin und hier zwischen der Zukunft und er Vergangenheit
herumschwebend. Keine Ahnung was sie dort suchte, immer auf der Reise, wie eine
Normannin die kein Zuhause in der Welt hat und sich dauernd auf dem Weg
befindet. Müde war sie und traurig. Ein paar Tränen kullerten in ihren
Augen und sie schaute nur noch dort in die Fensterscheiben um die Tränen und
den sehr privaten Moment für sich selbst zu behalten. Es nutzt nichts zu
weinen, sie, ihr Baby, ihre große Liebe, sie weinte schon genügend für sie
beide. Ihre kleine 4 - jährige Tochter die den Abschied nie wahr haben und nie
akzeptieren wollte. Fest sich an sie sich klammernd ihre Mutter nie loslassen
wollte. Mit einem sanften Lächeln löste sie sich von ihr und versprach in
wenigen Tagen wieder bei ihr zu sein, wohlwissend, dass aus diesen Tagen lange
Wochen und oft Monate werden können.
Nur noch ein paar Wochen und sie wird wieder mit
derselben Fähre Richtung Dänemark fahren. Ein paar Wochen und sie wird ihre
Tochter wieder in die Arme nehmen, Duft der Bäume einatmen, Familienmomente
genießen, endlich nicht alleine sein müssen. Es soll ein kurzer Abschied
sein und sie sollte stark sein, keine Tränen zeigen, keine Traurigkeit
zulassen. Ihrer Tochter nur ein müdes liebevolles Lächeln schenken und sie
mit einem warmen Kuss und dem Versprächen bald wiederzukommen verabschieden.
Ich komme
wieder. Versprochen! Das Leben hat es so eingerichtet und ich kann bei dir
nicht für immer bleiben.
Nicht fair ist das leben. Nicht leicht es zu akzeptieren.
Wie Straffe fühlt es sich an, eine Straffe die sie lernen muss dankbar mit
einem Lächeln anzunehmen.
Baltikum See 1993
Sie beobachtete die Menschen die sich in den
Fensterscheiben des Schiffes widerspiegelten. Im Halbschlaff saßen sie da.
Ein paar Schiffs Offiziere liefen hin und hier. Selten sah sie Offiziere auf
dem Boot. Ruhig war die Überfahrt immer in der Nacht. Kaum Geräusche, kaum
Menschen zu sehen. Viele schliefen heimlich in den Autos im Bauch im Innerem
des Schiffes. Viele schliefen dort für immer ein. Leicht nervös schienen
sie heute zu sein, wie nach irgendetwas suchend. Keine Ahnung. Sollen sie doch
suchen. Versuchen wollte sie doch einfach ihre Augen zu schließen und ein
wenig Schlaff zu bekommen. Müde war sie, sehr müde. Der Schlaf
überkam sie immer mehr und mehr. Nur noch ein paar Stunden Fahrt mit der
Fähre und bald werden sie in Deutschland im Rostock andocken. Die Fahrt schien
dieser Nacht sich in die Ewigkeiten zu ziehen Es war nach Mitternacht und auf
dem Schiff herrschte inzwischen totale Stille. Das starke Licht auf dem
Boot ließ sie nicht in das Land der Träume entschwimmen. Immer mal wieder
öffneten sich ihre müden Augen, immer mal wieder sah sie in den Fenstern
jemanden oder etwas was sie noch ein wenig wach hielt und nicht einschlafen
ließ. Wie eine Wolke sah es aus, dort wo ein Raucherverbot doch deutlich
ausgeschildert war musste jemand stark geraucht haben. Unverschämt die
Menschen. Kein Respekt für die Nichtraucher wie sie. Schon wieder werden ihre
Haare, ihre Kleidung nach dem Rauch unangenehm riechen. Was sollst, es kann Schlimmeres
geben als das.
Sie
kehrte in ihre Gedankenwelt zurück.
Hin zu ihrer Wohnung in Berlin, dorthin wo ihr warmer
Bett auf sie wartet, dort wo sie alleine ihr einsames Leben lebt. Kalt war
es ihr. Draußen herrschte extreme winterliche Kälte. Minus 20 Grad war es
vielleicht. Sollte sie sich doch eine Jacke aus dem Auto holen. Die Fähre
war nie wirklich gut beheizt um die Passagiere möglichst lange wach und
konsumfreudig zu halten. Je mehr sie die Müdigkeit überkam umso mehr spürte sie
wie sehr sie friert und überlegte den Weg zum Auto ins Innere des Schiffes doch
noch zu unternehmen. Stundenlang zu frieren, keine schöne Vorstellung. Sie
wanderte ihren Blick Richtung Ausgang und wurde ein wenig skeptisch. Die
Rauchwolke schien in den wenigen Minuten irgendwie zugenommen zu haben. Sie
folgte mit ihren Blicken der Wolke hinterher und je länger sie ihr folgte umso
mehr überkam sie die Vermutung, dass es keine gewöhnliche Zigaretten Rauchwolke
gewesen sein konnte.
Woher kam sie eigentlich? Zu stark war sie inzwischen
aber niemand schien sie bis jetzt bemerkt zu haben.
Ihre Müdigkeit schien sie gerade für Sekunden zu
verlassen als sich plötzlich die Eingangstür die zu den unteren Etagen des
Schiffs führten öffneten. Ein paar Offiziere rannten dort heraus und es
schien als ob gerade dort dieser Rauch herkam. Es dauerten noch einige
Sekunden und der ganze Raum fühlte sich mit dem Rauch auf. Feuer Alarm
löste sich plötzlich aus und sie verstand, dass es keine Feuerübung, die
gelegentlich auf den Überfahrten durchgeführt wurde, sein konnte. Die
Neugierde, die stärker als die Angst war, trieb sie in die Richtung aus
der die Offiziere gerade herausrannten. Feuer, ein riesen Feuer breitete
sich vor ihren Augen aus. Nichts was sie sich in den Träumen ausgemalt
hätte. Es war lebendig und so real vor ihren Augen, dass es keinen
Zweifeln aufkommen ließ. Sie ging direkt auf das Feuer zu um zu begreifen
was dort unten genau geschieht.
„Weg hier!“
hörte sie plötzlich schroffe Stimme irgendwelcher
Offiziere. Sie sah den Kapitän dort unten der versuchte in Panik
telefonisch Befehle zu erteilen. Sie verstand gar nichts. Zu laut war es dort
und zu hektisch. Sie fragte nach irgendetwas aber die Antwort kam nie zu ihr
zurück.
„Feuer Alarm! Die Fähre brennt!
Alle sollen die Schwimmwesten aufsuchen“
hörte sie von irgendwo die Rufe. Wo auch immer diese
Westen gelagert waren. Panik breitete sich in Sekunden auf dem Schiff.
Alle wachten aus dem tiefen Schlaf erschrocken auf und rannten umher. Keiner
wusste was zu tun ist und wohin sie alle rennen sollten. Auch sie rannte
orientierungslos umher als sie plötzlich eine starke Explosion spürte und
durchs Fenster eine riesen große Feuerflamme erblickte.
Das Schiff brennt! Es brennt wirklich!
Viele Senioren auf einer Senioren Busreise waren dieser
Nacht auf dem Boot. Sie alle waren sich selbst überlassen. Niemand schien sich
um sie zu kümmern, Niemand schien ihnen die Lage auf dem Boot zu erklären.
Angst und Hilflosigkeit waren in allen Gesichtern sichtbar. Während die
überforderten Offiziere versuchten das sich immer weiter ausbreitende Feuer zu
beherrschen waren wir Passagere uns selbst ausgeliefert. Eine weitere
Explosion rüttelte sie endgültig wach und forderte auf zu handeln. Sie sah
hilflose Menschen um sie herum die nach Hilfe riefen. Als das Feuer auch
den Weg ins Innere der Schiffsetage fand übernahm sie wie ein Kapitän das Kommando.
"Alle raus hier! Schwimmwesten suchen!"
Kalt wurde es plötzlich als sie die versperrten Tür
Ausgänge die nach draußen führten öffneten. Im Winter war die Tür immer
versperrt. Zu groß die Gefahr im Sturm jemanden in den Wellen der Baltikum See zu verlieren. Auch heute Nacht war die Gefahr sehr
groß.
Ein schwarzer Himmel, schwarze Wasseroberfläche der
kalten See und die Feuer Flammen überall. Jetzt wo der Weg nach Draußen offen
war, breitete sich das Feuer in Sekunden schnell im Innerem des
Schiffes aus.
Sie hörte dauernd Kindergeschrei und Panik der
Mütter, die versuchten ihre Kinder unter Kontrolle zu kriegen und musste
gerade an ihre eigene Tochter denken die in Sicherheit gerade in ihrem Bettchen
tief und fest schlief.
Mutter Gefühle überkamen sie und löschten die Angst vor
dem Feuer in ihr aus. Sie durchsuchten die Bänke im Außenbereich des
Schiffes nach den Schwimmwesten und teilten sie unter den Passagieren
aus. Zu wenige Schwimmwesten waren es. Keine Ahnung wo die weiteren sich
befinden konnten. In der Panik weiß Niemand wo sich was befindet. Niemand
handelt logisch und es gibt keine Zeit um sich Gedanken über Vieles zu
machen. Wir handeln so, wie uns unsere Innere Stimme befiehlt zu handeln.
Wo sind die Rettungsboote
verdammt?!!! Keine Rettungsboote da! Niemand der sich darum kümmert. Was ist
eigentlich los hier?
Weitere Explosion war zu hören und die Hälfte des
Schiffes stand plötzlich in den Feuer Flammen.
„Weg hier!“, schrie sie laut wie sie nur konnte und
befahl allen die um sie herum hilflos nach einer Rettenden Hand suchten sich
nach Draußen zu begeben. Kinder schrien immer lauter und auch die Mütter
fingen an panisch um Hilfe zu rufen. Sie nahm die weinenden Kinder auf den
Arm und übergab sie in den Obhut der anderen Passagiere die nicht selbst gerade
in Panik noch gerieten. Im Falle, dass sie in das kalte Wasser springen
sollten, sollen die Kinder nicht alleine sein und sich selbst überlassen werden.
„Soll ich
mit meiner Tasche in das Wasser springen? Was soll ich mit der Tasche tun“?
hörte sie von vielen Seiten.
„wie soll
ich mit der Tasche schwimmen?“
"Weg
mit der Tasche! Alles unwichtig! Nimm doch ein Kind in die Arme, verdammt
noch mal!"
rief sie den
Menschen zu. Wie kindisch können die Menschen sein, wie unlogisch, wie
selbstbezogen wenn sie in solch eine Situation geraten. Wie wenig Verstand und
wie viel Panik kann oft mehr Unheil errichten als die Gefahr die von der
Situation selbst entsteht.
Sie war gerade mal 23 Jahre alt und verstand bereits,
dass es nicht um sie in diesen Minuten geht, dass es Kinder und ältere Menschen
sind die ihre Hilfe jetzt brauchten und sie alle nicht an siche selbst denken
sollten.
Viele Babys waren mit am Bord und die Eltern versuchten
in die eigenen Pullovers ihre Kinder vor der brutalen Kälte die Draußen
herrschte zu schützen. Sie werden erfrieren wenn sie nicht zugedeckt und
aufgewärmt werden. Es müssen Decken doch am Boot sein. Entschlossen rannte
sie ins Innere des Schiffes zurück um ein paar Tischdecken von dem Schiffs
Restaurant zu beschaffen. Es war das andere Teil des Schiffes als der wo das
Feuer ausbrachte und sie konnte hier noch wenige Sekunden versuchen etwas für
die Kinder zu finden. Jemand versuchte mich mit Gewalt wieder nach
Draußen zu ziehen. Zu groß die Gefahr im Innerem des Schiffes im Rauch zu
ersticken und in die Flammen zu geraten. Das heiße Feuer breitete sich sehr
schnell aus und die Geräusche der Explosionen machten ihnen allen bewusst, dass
es jetzt das Ende werden wird. Sie wird diese Nacht nicht überleben.
"Wo
sind die Decken?!" Rief sie
hysterisch vor sich hin.
Wie auf Befehl brachte ein Offizier ein paar Decken mit
und forderte all auf die Außen Terrasse nicht mehr zu verlassen und in das
Innere des Schiffes nicht mehr wieder zu kehren. Der Rauch war
inzwischen überall und all fingen an um die Luft zum Atmen zu drängen.
Sie erinnert sich noch wie sie zu Hause in Dänemark
anrief. Es war vielleicht 2 Uhr am Morgen und das Feuer hat das ganze Schiff
inzwischen in seiner Gewalt. Es fehlte die Funkverbindung auf dem See wo sie
sich gerade in der Mitte der Fahrt in einem Grenzgebiet zwischen Dänemark und
Deutschland befanden. Sie bekam die Erlaubnis
das Funkgerät des Kapitäns für
eine Minute zu nutzen. Sie nahm innerlich den Abschied vom Leben und wollte
nur noch kurz die Stimme ihrer Eltern hören, nicht so wortlos gehen, nochmal
kurz sagen, dass es ihr Vieles so sehr Leid tut und sie es später ihrer
Tochter alles erklären sollen. Später, wenn sie nicht mehr da sein sollte.
Sie werden ins Wasser springen. Niemand will in den
Feuerflammen sterben. Es ist nicht einfach die Art des Todes zu wählen wo
das Feuer immer näher kommt und die Hitze des Feuers deutlich spürbar
ist. Die Vorstellung aus mehreren Metern Höhe in den schwarzen eisernen
See zu springen um dort nach wenigen Sekunden ebenfalls zu sterben schien auch
keine wirklich beruhigende Variante zu sein.
"Wo sind
die Rettungsboote verdammt nochmal?!!!" "Warum tut Niemand
etwas???!!!"
Auch diese werden gerade von dem Feuer verschluckt und
unbrauchbar gemacht. Keine Chance mehr an sie heranzukommen.
Sie forderte alle auf den letzten Schritt, den Sprung ins
Wasser bis zur der letzten Sekunde aufzuschieben. Keiner sollte jetzt schon in
den See springen. Dort wartete auch nur noch der Tod auf alle. Sekunden des
inneren Abschieds. Ein Innerdialog mit dem Gott. Sie schaute noch das letzte
Mal in das Weite. Nichts als nur Schwarz vor ihr, ein paar Sterne die sie auf
den letzten Weg begleiten sollten und der Mond, der dieser Nacht besonders groß
und besonders hell zu sein schien. Romantsch mischten sich die Feuer -roten
-flammen mit dem Licht des Mondes auf und sie dachte in diesen Sekunden nur
noch daran warum sie alleine hier sterben solle. Sollte sie doch jetzt in
diesen Sekunden die Liebe ihres Lebens um sich haben, romantisch küssen und sich
in den Küssen total bis in das Tod verlieren, alles um sie vergessen und so von
dieser Welt gehen können.
In ihren Armen hielt sie zwei kleine Kinder. Sie schienen die
Ruhe die sie jetzt ausstrahlte stark gebraucht zu haben. Ruhig waren sie und
sich an sie vertrauensvoll festklammernd schlummerten in zwischen fast ein.
Ihre Gesichter waren vom Weinen noch ganz nass und doch schienen sie sich wohl
und sicher in ihren Armen zu fühlen. Wenn sie sterben soll dann jetzt. Sie
war bereit. Es soll ihre Mission gewesen sein, ihre Tochter geboren zu haben,
diese zwei kleine Wesen in den Tod zu begleiten und so lange nicht loszulassen
bis sie den Tod ruhig gefunden haben. Es war ihre Mission viele andere
Kinder hier auf dem Boot in die fremde Arme unterzubringen und dafür zu sorgen,
dass sie in den letzten Momenten ihres Lebens nicht alleine sein mussten. Es war der Grund warum sie geboren war. Jetzt war sie
soweit. Jetzt kann sie gehen und sich tapfer dem Schicksal stellen. Die
Ruhe war es die die Kinder jetzt brauchten.
Sie begann leise zu singen als die Flammen schon fast ihre
Körper berührten. Sie deckte schützend mit ihren Armen die
Kinder vor dem Feuer ab. Der Rauch nahm ihnen den letzten Atem weg. Nichts
konnte sie mehr realisieren. Zu tief war sie in dem Singen und ihren Gedanken
verloren. Sie hörte nicht als die Hubschrauber über dem Schiff eine
Rettungsaktion begannen und sich viele kleine Schiffe um sie herum mit Wasser
Kanonen versammelten. Nichts kriegte sie mit als das Feuer immer mehr unter
Kontrolle gebracht wurde und aufs andere Ende des Schiffes sich langsam
verlagerte. Sie wusste auch nicht mehr wer ihr die Kinder aus den Armen
nahm und ihr vom Boot herunter half. Sie kann sich an die Stunden nicht
mehr erinnern als sie vom Boot in den sicheren Hafen von Dänemark gebracht
wurde.
Hell
war es und ein neuer Tag begann bereits als die Gruppe von Passageren von den
Journalisten und TV Kamera Leuten begleitend in die am Hafen liegende Hotels
untergebracht wurden. Sie kriegte etwas von der Reportage mit. Einige TV
Reporter berichteten vor Ort noch von der Tragödie. Später konnte sie die Fotos
in den Dänischen News sehen. Viele Fragen:
Warum es zu der Tragödie erst kommen musste?
Warum die Rettungsboote nie in den Gebrauch genommen
wurden?
Alles passierte so schnell und von all dem bekam sie
jetzt kaum etwas mit. Traumatisiert musste sie gewesen sein. Wenn alle Gefühle
ausgeschaltet und das Bewusstsein nicht mehr in der Lage ist die Realität
aufzunehmen. Wenn wir nicht mal die Schmerzen mehr fühlen und keine Angst mehr
empfinden können.
Sie haben Vieles verloren, Sachwerte und Dokumente. Aber
das Leben haben sie behalten und konnten wenige Tage später ihre Reise erneut
fortsetzen als ob es nichts gewesen wäre. Einige von ihnen ist dieser
Nacht in den Feuerflammen gestorben. Sie haben ihr Leben dort auf dem
Baltikum See gelassen. Tragisch war ihr Tod, tragisch die Bilder die sich vor ihren
Augen abspielten, als nach Tagen die Überreste aus dem Schiffs Wrack geholt
wurden.
Wofür
es auch gut gewesen sein sollte. Eins hat sie für ihr Leben gelernt.
Auch wenn du glaubst zur Ende angekommen zu sein und
keinen Ausweg mehr zu sehen.
Auch wenn dein Schiff schon ausgebrannt und untergeht,
gib nie auf und verliere nie den Glauben an Gott. Vertraue ihn und dem was
geschehen soll. Alles im Leben ist bereits vorbestimmt und du hast kaum
Einfluss darauf den Lauf der Dinge zu verändern. Du hast aber die Chance bis zu
der letzten Sekunde etwas Positives in deinem Leben zu bewirken, deinem Leben
und dem Tod einen Sinn zu geben, aktiv zu versuchen dein Leben in die Hand zu
nehmen. Zu geben so viel du geben kannst und tapfer sich dem Schicksal stellen, die Mission deines
Lebens zu erfühlen, was auch immer die Mission sein sollte. Ein Kapitän zu
sein.
Das Leben braucht die Kapitäns und nicht die Ratten!
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
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