Das Telefon klingelt. Eine freudige Stimme die sie schon lange nicht mehr hörte erläutert ihr gerade eine sehr freudige Nachricht. Eine Nachricht auf die sie sehr lange wartete. Eine Nachricht, die sich wie eine Erlösung anfühlt. Nachricht die das ganze Leben verändern kann, hoffen lässt und sich wie Licht am Ende dieses Tunnels anfühlt. Nachricht, die ganz neue, positive Energie erwachen lässt, die wie der Achterbahn Zug sie in Sekunden in die Höhe treibt. Wie ein Rettungsring das unerwartet in das kalte Wasser des Ozeanes zur Rettung geworfen wurde, genauso wie sie Mal in diese Gewässer hereingeworfen war um zu beweisen wie gut sie schwimmen kann und die Lizenz zum Schwimmen auch verdient hatte.
Heute will sie nicht an das Morgen denken. Das Morgen kann
so unterschiedliche Formen bekommen. Genauso wie ihr Leben im Polen, ihrer
Heimatland zu dieser Zeit nie sicher war. Ein Leben das sie Entscheidungen
treffen ließ diese Heimat von einer Minute auf die andere zu verlassen und es
eine neue zu suchen. Ein sicheres Hafen das ihr sich wie zu Hause fühlen lässt.
Endlich diese Freiheit spüren. Den Duft, das Land der
vielen bunten Farben und der Möglichkeiten. Der Uneingeschränktheit.
Ja, fliegen will sie nicht nur laufen. Niemand soll ihr
das Fliegen verbieten. Fliegen will sie und die Welt erkunden. Hunger nach
der weiten Welt stillen. Selbst entscheiden, wo sie ihr Leben leben und die
Ruhe für immer finden kann.
Kolbaskowo
(Deutsch-Polnische Grenze,) 3 April 1989
Sie weiß sicher die Marke des Fahrzeuges nicht mehr, mit
dem sie die Grenze von Polen nach Deutschland passierte. Sie weiß auch nicht
genau wer mit ihr in dem Auto saß. Ein paar Leute waren es. Ein paar
Sachen in einer kleinen Tasche hinten in dem Kofferraum. Die Reise, ihr
Weg in den ihr noch ganz unbekannten Westen war ganz unvorbereitet. Ein
gerade neu ausgestellter Pass, ein Neuland des polnischen Staats Systems. Es
roch noch so frisch und fühlte sich noch warm an. Das erste Mal im Leben ein
Pass zu besitzen. Das Glück dabei zu haben gerade volljährig geworden zu
sein. Sie fuhr in die Freiheit, in den Westen. Ein
neues Leben das ihr ein Zuhause werden sollte.
Hier wird sie glücklich werden, hier wird ihr Kind
geboren, das in ihr seit vier Monaten lebt. Hier wird sie den Man ihres
Lebens heiraten, ihre Liebe zu ihn nach Jahren des wilden Zusammenseins
bekräftigen. Ihr neues, sehr erwachsenes Leben beginnen. Die Welt der
bunten Magazine, die ihr nur aus Erzählungen bekannt ist, eine Welt ihrer
Träume.
Sie erinnert sich an den Duft seiner Jeans Jacke die sie
bei der Reise nach Deutschland an hatte. Sie liebte diese Jacke und den Duft,
weil sie seinen Duft und diesen Man auch so sehr liebte. Ein Mix aus
Zigaretten, Nacht Clubs und Parfüme die er immer benutzte. Der Mann, ein
Mann ihrer Träume und nun trug sie den Frucht dieser Träume in ihr um es heute
in den Westen zu bringen. Irgendwo dort in der Jeans Jacke wölbte sich ihre
gerade mal 4 monatige Schwangerschaft. Eine, die sie selbst sehr überraschte weil sie viel zu früh
und ungeplant kam. Eine von der sie nicht ganz wusste ob sie sich eher freuen oder Angst bekommen sollte. Nun jetzt
war die Zeit nicht die richtige um darüber nachzudenken. Ihr Baby wuchs bereits
in ihr. Sie trug die Verantwortung und die Entscheidung Polen, ihre Heimat zu
verlassen war ein Teil dieser Verantwortung.
Das Auto fuhr sehr langsam zu der Grenz
Wachstation. Ein paar Grenzbeamten stoppten es. Eine Grenzkontrolle. Angst wuchs in ihr. Angst das Land nicht verlassen zu
können.
Viele waren es, die erfolglos versuchten den Weg in den
Westen zu schaffen. Es war nicht einfach das Land in diesen Jahren zu
verlassen. Noch komplizierter mit einer bereits sichtbaren
Schwangerschaft. Sie knöpfte ihre Jacke zu mit der Hoffnung ihren Bauch
verbergen zu können. Der Beamte schien etwas bemerkt zu haben. Ihr Herz
schlug Millionen Mal schneller als sonst. Sie versuchte nicht viel in diesen
Minuten zu denken und ihr keine schwarzen Wolken vor den Augen auszumalen. Es
kommt immer Schwarz, wenn man es sich so ausmalt. Sie mag's Heute lieber andere
Farben sehen.
Sie wollte nur noch weg von dieser Stelle, nur ein paar
Meter hinter diesem Grenzschutz sein. Das Gefühl die erste Bürde
überwunden zu haben.
Die Kontrolle dauerte lange, viel zu lange. Wer etwas sucht, wird immer findig. Ihr Pass wurde
zur Kontrolle länger aufgehalten. Ihr Name mehrmals wiederholt. Kein guter
Zeichen.
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Sie war etwa 14 Jahre alt als ihre Mutter in den Westen
zog. Eine junge Frau die im Osten keinen Glück und
keine Zukunft sah. Eine, die ein hartes, einsames Leben führte. Eine Frau, die
die Liebe ihres Lebens nie gefunden hat, eine kurze Glücks Episode und viel zu
früh die harte Realität des Lebens. Eine Frau, die so wie sie jetzt gerade in
dem Westen ein neues Leben, ihre Zukunft finden wollte . Die Alles aufgab,
selbst ihre Kinder, um Stück Hoffnung auf ein besseres Leben nicht an ihr
vorbei gehen zu lassen. Sie zog nach Dänemark dorthin, wo ein neuer Man, ein neues
Haus, ein Zuhause, eine bessere Zukunft auf sie wartete. Keine Ahnung ob sie
wirklich nie vor hatte sie und ihre Schwester in den Westen zu sich zu holen.
Sie versprach es zu tun bis es schließlich viel zu spät wurde. Sie war weg und begann ein Leben dort, wo hin nur ihre
Vorstellungen reichen konnten.
Sie sind alleine geblieben. Sie und ihre Schwester. Und
diese Hoffnung, eines Tages ihrer Mutter zu folgen, ein schönes Haus mit Garten
und mit einem eigenen Zimmer zu bekommen, eine Familie wieder zu sein. Es blieb
bei einem Traum und es begrüßte sie stattdessen eine harte, viel zu harte für
dieses Alter Realität.
Undenkbar als nicht Volljährige eine Wohnung zu besitzen,
alleine dort zu wohnen, keine Eltern mehr zu haben. Eine Mutter, eine
Emigrantin. Eine Zukunft, die verbaut ist bevor sie noch richtig begonnen
hat. Konsequenzen, die sie als Kinder zu tragen hatten. Keine einfache Realität begann. Realität, die sie
schneller erwachsen werden ließ als sie es sich wünschten.
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4
Jahre später, Deutsch - Polnische Grenze, 4 April 1989
Viel zu lange betrachtete der Grenzbeamte ihren Pass. Der
Name ihrer Mutter konnte an der Grenze aufgenommen und gespeichert worden sein
was für sie die Ausreise Sperre bedeuten würde. Minuten voller
Angst. Ein unwahrscheinlicher Kitzel in ihrem Bauch als sie die Grenze nun
endlich ohne Komplikationen passierten.
Frei! Die Freiheit wartete auf der anderen Seite, zum
Greifen nahe.
Nur noch ein paar Stunden Autofahrt durch den Ost
Deutschland und sie wird bald in ihrer neuen Heimat sein, dem Westen. Nach
2 Stunden war sie ein neuer Mensch. Der West Berlin lag zu ihren Füssen. Sie
war ein Westler.
Nichts und Niemand wird sie jemals in den Osten
bringen. Ein neues Leben begann.
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Es ist nicht ohne Risiko, ein Leben aufzugeben und in dem
Neuem wohl möglich nicht das vorzufinden wonach wir immer gesucht haben.
Es ist ein Risiko von Zero anzufangen, sich zu trauen dem Neuem, Unbekanntem zu
begegnen, sich auf 's Vieles einzulassen was nicht unser war. Es erfordert
Mut und Risikobereitschaft solch ein Schritt im Leben zu tun und es ist
immer möglich, dass dieser Schritt uns Meile zurück wieder wirft und unser
Leben nicht zwingend dadurch besser wird. Viele, die aus ganz unterschiedlichen
Gründen ihre Heimat verließen in der Hoffnung eine bessere, sichere Zukunft
woanders aufbauen zu können. Ein großer Schritt, dass genauso wie die
Hoffnung auch ein Risiko bedeutet.
Es bedeutet aber immer auch, dass wir Vieles dazu lernen,
reifer, härter werden. Bewusster was es Fallen und Aufstehen bedeutet. Wie es
ist ein Ausländer in einem anderen, fremden Land zu sein. Ein Fremder auf dem
Niemand mit Begrüßung wartet. Wo keine Stütze aufgestellt ist an der Man sich
abstützen kann wenn man keine Kraft mehr hat.
Eine harte Lernschule.
Es bedarf den Mut um sich darauf einzulassen, jedoch auch
eine Stärke sich bewusst gegen solch ein Abenteuer zu entscheiden und dem was
es kommen könnte nie mehr nachzutrauern.
Die Entscheidung liegt in unseren Händen und nur wir und
der lieber Gott kreieren gemeinsam unser Leben.
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Es
war ein Abschied ihrer Kindheit, ihrer Vergangenheit. Ein neues Leben grüßte.
Was sie
damals nicht ahnte...
dass
es noch vier lange Jahre dauern sollte bis sie Deutschland ihr Zuhause
bezeichnen
und
Land ihrer Kindheit erst nach 20 langen Jahren wieder besuchen konnte.
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
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