Sie werden uns holen
Eine
Achterbahnfahrt der Gefühle. Zwischen den Geburt Schmerzen, dem Glück über das
gerade geborene Baby und der Deportation.
West
Berlin, 18. September 1989
Ein kleiner Raum in einem Berliner Krankenhaus, blau
gestrichene Wände, eine Krankenschwester und irgendwo neben ihr, hinter dem
Vorhang eine andere Gebärende, dauernd vor Schmerzen schreiende Frau. Sie liegt
da und kann seit Stunden ihr Baby nicht auf die Welt bringen.
Das Martin-Luther-Krankenhaus gehört zu einer der besten
im West Berlin. In einer renommierten Villen Gegenden, Berlin-Grunewald. Eine
Gegend die ihr bis zu diesem Moment noch gar nicht bekannt ist. Ihr Leben
spielt sich nicht weit weg von dort ab und doch ist es Meile entfernt von dem
Leben der Grünewald Bewohner.
Ein Krankenwagen bringt sie dorthin als die Wehen
einsetzten und die Geburt bereits eingeleitet ist.
Noch weiß sie selbst nicht ob sie mehr Angst vor der
Geburt selbst hat oder viel mehr davor entdeckt zu werden. Sie lebt in West Berlin illegal und hat weder Erlaubnis sich
dort aufzuhalten, noch jegliche Basis einer Existenz. Nicht einmal eine Kranken
Versicherung. Sie hat nicht einmal Geld um den Krankentransport bezahlen zu
können. Ganz abgesehen davon, dass sie die Deutsche
Sprache noch so gut wie gar nicht versteht.
Ihre Beine zittern als sie der Krankenwagen in das
Krankenhaus im Grünewald bringt. Die schmerzen werden immer stärker und ihr
Baby wird jede Sekunde da sein. Schmerzen, die ihr neu sind. Gerade 19
Jahre und sie erwartet ihr erstes Kind. In einem Land in dem sie nicht
willkommen ist, in dem ihr Baby nicht willkommen ist, in dem sie weder ein
Bleibe noch Familie hat. Nur ein wenig Hoffnung auf die rosige Zukunft mit der sie
mit dem Baby noch schwanger vor wenigen Monaten in ihre neue Heimat Deutschland
einreiste.
Es wird ein Junge sein, ganz sicher. Er wird Alan heißen.
Sie habe bereits ein Paar mini Pullover für ihren kleinen Spatz alleine
gestrickt mit der Anschrift Alan. Sie hat noch keine Ahnung woher die Idee
einen Jungen zu bekommen? Seit Monaten ist sie nicht mehr beim Frauenarzt
gewesen und weiß es weder was es wird noch ob es überhaupt gesund ist. Es
bleibt nur die Hoffnung, als der stärkste Impuls das uns am Leben hält.
Die schmerzen werden immer stärker und lassen sie in
diesen Sekunden nur noch an ihr Baby denken.
Dubai,
2012
Schmerzhaft ist die Geburt eines Kindes. Schmerzhaft ist
auch keine Zeit für das eigene Kind zu haben. hart ist der Weg das wir oft
bestreiten müssen. Hoch ist der Preis den wir hier mitten in der Wüste zu
zahlen haben.
West Berlin
18 September 1989
23 Jahre zurück, hin in das kleine blaue
Entbindungszimmer des Grunewald Krankenhauses in Berlin.
Hinter dem weißen Vorhang schreit die Frau noch
immer. Sie beide erwarten gerade ihre Babys und doch sind ihre Lebenssituationen
so unterschiedlich obwohl sie hier in diesem Raum mit demselben Schmerz
verbunden sind. Während die eine Frau seit Stunden um Erlösung fleht dauern ihre Schmerzen im Verhältnis kurz.
Schön sind sie irgendwie, erlösend.
Ihre Mutter weicht von ihrer Seite nicht ab. Ihre
Schwester liegt auf dem Boden. Gerade ist sie ohnmächtig geworden als sie das
kleine Köpfchen des Kindes sieht.
Ihr Baby ist da. Schneller als sie es erwartet hatte,
nach nur einer Stunde. Vergessen sind plötzlich alle Sorgen, vergessen die
ganze unsichere Zukunft, vergessen ihr Status und ihre fehlende
Krankenversicherung. Diese Sorgen werden
Morgen auch noch da sein. Es zielt jetzt nur noch sie, ihr gerade frisch
geborenes Baby. Kein junge, es wird doch nicht Alan heißen. Ein neuer Name muss
schnell hier. Ihre Schwester steht gerade von dem Boden auf. Die Geburt hat sie
verpasst, genauso wie der Doktor es verpasst hatte. Wer zu spät kommt….
Ihr Baby konnte nicht mehr warten um auf dieser Welt zu
sein. Eine Welt die nicht ganz einfach werden sollte, weder für sie noch für ihr
frisch geborenes Baby.
Das Geschrei der Frau daneben hört immer noch nicht auf.
Manch ein Baby ahnt vermutlich, dass die Welt da Draußen alles andere als ein Zuckerschlecken
ist und währt sich bevor die Zange es aus dem Inneren der Mutter mit Gewalt
rausholt.
Ihr Baby ist geboren. Sandra ist ihr Name. Ihr erstes
Kind, eine kleine Tochter. Süß sieht
sie aus. Lange Beinchen, lange schöne Fingerchen. Sie zählt die zehn süßen
Finger ihrer kleinen Tochter eins nach dem anderem. Sie ist da, sie ist gesund.
In dem Moment sind die kleinen süßen Fingern die sich fest an ihrem Finger vertrauensvoll
klammern das wichtigste auf der Welt.
In dem Land das ihr noch neu ist, in dem sie keine Arme
zum Festhalten hat, in dem Nichts und Niemand auf sie wartet. Nichts außer
Hunger, Angst, Schmerz, Tränen und der Orientierungslosigkeit.
In diesen Sekunden steht eine neue Welt vor ihr. Eine
Welt die sie aus einer neuen Perspektive und in neuen Farben betrachten kann. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl das jedoch nur viel zu
kurz dauert.
Sie hielt ihr frisch geborenes Baby in den Armen. Ihr Körper
zittert immer noch vor Aufregung der letzten Minuten, die Schmerzen noch nicht
abgeklungen als in die Tür zu dem Entbindung Raum auf der Geburt Station des
Martin-Luther-Krankenhauses eine Polizisten Gruppe hinein stürmt.
Nicht hier und nicht jetzt erwartet man solche Gäste.
Einige Polizei Beamte und zwei Polizistinnen treten in den Raum hinein. Ein
Szenario wie ein Krimi Film, das aus meinen Gedanken für immer nicht
auszutreiben ist genauso wie die Minuten der Geburt selbst.
Sie sind da um sie beide zu holen. Sie und ihr frisch
geborenes Baby aus dem Land zu deportieren das ihre Heimat werden sollte. Ein
Land, in das sie voller Hoffnung für die Zukunft vor Monaten einreiste.
Sie sind da um ihr alle Träume und Hoffnungen zu vernichten, ihr ihre Zukunft
in wenigen Minuten zu nehmen, ihr ihre kleine Tochter aus den Arm zu entreißen,
ihr schönes, sanftes Lächeln des Mutterglücks
in einen vor Angst starrenden Gesichtsausdruck zu verwandeln. Sie sind da um
sie wach zu rütteln und ihr ihre wahre Situation nicht vergessen zu lassen, um
sie von der Wolke wieder auf den Boden brutal zu werfen.
Eine junge Auswanderin aus einem sozialistischen Land in
dem Westen, ihrer neuen Wahl Heimat, in der Niemand auf sie wartet, in der
Niemand eine frisch geborene Mutter braucht. Ein Start ohne Rechte, ohne
Basis, ohne Aufenthaltserlaubnis, ohne Arbeit Erlaubnis, ohne eines festem
Zuhause, ohne Familie und Freunde, ohne dem Boden unter den Füssen. Eine
Auswanderin, die selbst fast noch ein Kind ist und eigenes ein Kind gerade auf
die Welt brachte.
Sie sind da, um aus dem Kind in Sekunden eine Löwin zu
machen. Eine Löwin, die aus Liebe zu dem eigenem Kind fähig zu töten wäre
nur um es zu schützen.
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
(Fortsetzung folgt im Buch: RED LINE - DER WEG ZUR SELBSTBESTIMMUNG)
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